Schlussfolgerungen aus den Starkregenereignissen
Hochwasserschutz
Welche Lehren werden aus den Extremwetterereignissen im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezogen? Die Akademie Hochwasserschutz hat sich mit den Ereignissen intensiv beschäftigt. Die Fragestellung lautete dabei: »Was können wir daraus lernen?« Die Akademie kommt zu dem Ergebnis, dass sich zum Beispiel die Institutionen, die sich mit dem Thema befassen, enger austauschen und vernetzen müssen und zudem mehr schwereres Gerät in Zukunft erforderlich sei.
Die Akademie Hochwasserschutz wurde 2003 gegründet, um nach den Erfahrungen aus dem Hochwasser an Elbe und Donau die Kommunikation zwischen den Beteiligten im Hochwasserschutz und das Wissen zum vorsorgenden und operationellen Hochwasserschutz zu verbessern. Ganz entsprechend dem Motto der Akademie: »Leben retten und Schäden minimieren«.
Seit ihrer Gründung hat die Akademie ca.1000 Fachberater Hochwasserschutz für alle Einheiten des Katastrophenschutzes, der Bundeswehr, der Kommunen und Verwaltungen auf allen Ebenen sowie Ingenieurbüros und weitere Helfer ausgebildet. Viele dieser Fachberater waren 2021 an ganz verschiedenen Stellen im Einsatz, haben evakuiert, aufgeräumt, koordiniert, beraten und unterstützt.
Die Ausbildung zum Fachberater Hochwasserschutz beinhaltet 25 Zeitstunden mit praktischem und theoretischem Unterricht. Es werden Inhalte zur Strategie, Deichverteidigung, Objektschutz, Warn- und Meldesysteme, Mobile Systeme inklusive Sandsäcke, rechtliche Inhalte und Einsatzfragen behandelt. Über Fortbildungen und direkten Kontakt werden die Fachberater über die laufenden Entwicklungen informiert.
»Zunächst stellen wir fest, dass wir als Gesellschaft und Entscheider begreifen müssen, dass die Natur uns überlegen ist. Die Lösungen können nicht in der Technik allein und in präziseren Warnungen liegen«, so Harald Blum, Leiter der Akademie.
Rückschlüsse aus der Vergangenheit ziehen
Die Akademie Hochwasserschutz hatte in der Vergangenheit Hochwasserdokumentationen vor Ort machen lassen. Große Extremereignisse wie Hochwasserlagen gab es an Flüssen immer wieder einmal, oft in großen Zeitabständen. Daraus können Schlüsse gezogen werden. Heute stellen Fachleute weiter fest, dass die Infrastruktur verletzlicher geworden ist, vom Strom über Wasserversorgung, Abwasser und Verkehrsinfrastruktur. Ein Blick in die Archive ist für Entscheider sehr nützlich. Klar ist, dass die Häufung der Extremereignisse durch den Klimawandel zunehmen wird. Die Intensität der Starkregenereignisse wird alle herausfordern.
Seit ihrer Gründung versucht die Akademie die einzelnen Professionen an einen Tisch zu bringen. Die Lehrgänge bestätigen das Anliegen mit Erfolg. Es geht um das gegenseitige Verständnis von Katastrophenschutz im Zusammenspiel mit den Wasserbauingenieuren und deren Planungen zum technischen Hochwasserschutz. Es geht aber auch um die Frage, wie transportiert man die Anliegen zur Vorsorge an die Bevölkerung. Allein bunte Faltblätter helfen nicht. Die Akademie plädiert dafür, dass die große Zahl der im Katastrophenschutz Tätigen Multiplikatoren der Botschaften werden können. Der Katastrophenschutz muss die technischen Vorkehrungen verstehen, andererseits sollte im Hochwasservorsorgemanagement der Wasserbau ebenso einbezogen werden.
Mögliche Starkregenereignisse und Hochwasserlagen bedingen gerade eine intensive Vorplanung. Szenarien sollen durchgespielt werden: Wer macht was? Wer macht die erste Lageerkundung? Wann gehen Einheiten in Bereitschaft? Was muss vor Ort alles erledigt werden? Das sind erhebliche Fragen, die nicht in Stäben und Lagezentren vorab geklärt werden können. Es geht um Menschenleben. Einsatzkräfte vor Ort sind oft selbst betroffen. Darüber wird viel zu wenig diskutiert. Es fallen deshalb einfach Helfer in der Stärkeanzahl weg. Die Führungsebene muss das wissen. Weitere Helfer für den Fall X müssen geworben werden.
Trügerische Schlagzeilen und unstimmige Kommunikation
In der Öffentlichkeit wird immer wieder von sogenannten Jahrhundertfluten gesprochen. Die Schlagzeilen in der Presse signalisieren den Menschen, dass sie anschließend eine Zeitlang Ruhe haben würden. Das ist trügerisch. Pikant: An der Elbe gab es 2002, 2006 und 2013 Jahrhundertfluten! Da stimmt die Kommunikation nicht.
»Wir brauchen andere und neue Mechanismen in der Einsatzführung, da Einsatzgrenzen sich nicht an Verwaltungsgrenzen halten. Die Einsatzkräfte sind bei diesen Ereignissen viel länger im Einsatz. Die Ausbildung muss diesen Punkt berücksichtigen«, so der Präsident der Akademie Michael Kühn.
Bei Warnungen entsteht oft das Präventionsparadox, da Warnungen manchmal real nicht eintreten. Auf diese Diskrepanz muss mehr hingewiesen werden. Wenn wieder Sirenen zum Einsatz kommen sollen, muss die Bevölkerung die Alarmierung lernen können. Es bleibt viel zu tun.