Notruf-Sprachbarrieren einfach und direkt auflösen
Datenübertragung
KI-gestützte Echtzeitübersetzung revolutioniert die globale Kommunikation, indem sie Sprachbarrieren in Echtzeit abbaut und präzise Übersetzungen ermöglicht. Diese Technologie findet zunehmend Anwendung in verschiedenen Bereichen, darunter auch in Notrufleitstellen, wie das Beispiel der Kreisleitstelle Wesel zeigt.

Die Leitstelle Wesel nutzt erfolgreich das Übersetzungstool »EA TONI« für Ihre Notrufe. (Bild: WTG)
Der Kreis Wesel mit seinen rund 470.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, aufgeteilt auf 13 Kommunen, ist bei einer Größe von etwa 1043 km² ein bedeutender internationaler Transitbereich mit vielfältigen Verkehrsverbindungen. So fließt der Rhein als wichtigste Bundeswasserstraße auf einer Länge von ca. 43 Stromkilometern durch das Kreisgebiet, und sechs Autobahnen durchziehen in Nord-/Süd- und Ost-/Westrichtung den Kreis Wesel, der zwischen der Metropolregion Rhein-Ruhr und den Niederlanden lokalisiert ist. Durch diese Infrastruktur sowie durch Urlauber und Pendlerverkehr und durch erhöhte Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre erreichen die Leitstelle immer wieder fremdsprachige Notrufe.
Problemstellung und Lösungsansatz
Der Umgang mit diesen Notrufen ist für die Disponierenden immer wieder herausfordernd und teils stark belastend. Im Falle fremdsprachiger Anrufe ist die Hilfsfrist durch die längere Dispositionszeit häufig nicht oder nur schwer einzuhalten. Viele der Anrufenden sprechen kein oder nur sehr wenig Englisch, sodass es hier zu einer ineffektiven Kommunikation kommen kann. Herkömmliche maschinelle Übersetzungen stoßen oft an ihre Grenzen, wenn es um die Erfassung von Kontext, kulturellen Nuancen und natürlicher Sprachverwendung geht. Um genau diesem Problem entgegenzuwirken, hat sich der Kreis Wesel als Träger des Rettungsdienstes dazu entschieden, ein innovatives KI-gestütztes Übersetzungsprogramm in der Kreisleitstelle einzusetzen – den »Euro Alert TONI«.
»EA TONI«: Das Übersetzungstool
Das System namens »Euro Alert TONI« (Translator Of Necessary Information) ermöglicht die Bearbeitung von Notrufen in jeglicher Sprache. Zurzeit kann »EA TONI« in weit mehr als 60 verschiedenen Sprachen kommunizieren.
Es funktioniert wie folgt: Nach Beginn der Notrufabfrage seitens der Disponierenden wird bei fremdsprachigen Anrufenden versucht, das Gespräch in englischer Sprache fortzusetzen.
Notruf-Sprachbarrieren einfach und direkt auflösen
Die Leitstelle Wesel nutzt erfolgreich das Übersetzungstool »EA TONI« für ihre Notrufe.
Sollte das zu keinem Erfolg führen, wird der »TONI« als Konferenzteilnehmer in das bestehende Gespräch hinzugezogen. Danach wird durch die Spracherkennung die Sprache des Anrufers identifiziert und anschließend in Textform übersetzt. Die Disponierenden geben ihre Antworten schriftlich oder mittels vorgefertigter Textbausteine ein, um schnellstmöglich den Ort sowie den Grund des Anrufs zu erfahren. Diesen Text übersetzt das System automatisch und gibt die Antworten per Sprachausgabe wieder.
Diese Technologie überwindet Sprachbarrieren effektiv und ermöglicht eine schnelle und präzise Kommunikation in Notfallsituationen.
Ziel der KI-Echtzeitübersetzung
Das Hauptziel dieser Technologie ist es, eine nahtlose und effektive Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Sprachen zu ermöglichen. Im Kontext von Notfalldiensten wie der Kreisleitstelle Wesel bedeutet dies eine schnellere und präzisere Erfassung von Notfallsituationen, unabhängig von der Sprache der Anrufenden.
Testphase
Im September 2024 wurde »EA TONI« für die Testphase zusammen mit der Firma WTG Leitstellentechnik in das bestehende Kommunikationsmanagementsystem der Kreisleitstelle Wesel implementiert. Zu Beginn der Testphase wurden durch die Mitarbeitenden Textbausteine zur Schnellauswahl erstellt, aufgeteilt in Fragen und Anweisungen zur Hilfestellung des Anrufenden. Diese sollen den KI-gestützten Notruf-Dialog zusätzlich zeitlich verkürzen, da so nicht jedes Wort mittels Tastatur in das Chatfenster eingegeben werden muss. Die Gesamtdauer des Einführungsprozesses, inklusive der Ausbildung von Multiplikatoren der drei Dienstgruppen, betrug ca. 1,5 Wochen.
Aufgrund der einfachen Benutzung dieses Systems war der Zeitaufwand zur Schulung der Mitarbeitenden relativ gering – pro Mitarbeitenden war ein Zeitbedarf von ca. 15 Minuten erforderlich. Die Schulung wurde durch die Dienstgruppenleitungen durchgeführt.
In der Testphase des »EA TONI« zeigten sich noch herstellerseitig zu behebende Probleme bezüglich der Umgebungsgeräusche im Leitstellenbetriebsraum. Dennoch konnte das Potenzial des Übersetzungstools durch folgende Maßnahme bereits vollumfänglich genutzt werden.
Zur Vermeidung der Aufnahme von Störgeräuschen und ihrer Übernahme in den Chatverlauf haben die Mitarbeitenden ihren Ablauf dahingehend angepasst, dass sie während der Kommunikation die Mikrofone stummgeschaltet und ausschließlich die Chatfunktion des »TONI« benutzt haben.
Die Erfahrungen und der Nutzen offenbarten schon nach einer kurzen Projektdauer, dass ein weiterer Betrieb unbedingt angezeigt ist – in dieser Zeit wurde »EA TONI« zu Einsatz- und Übungszwecken ca. 300 Mal genutzt. Es stellte sich ferner heraus, dass der europaweite Notruf 112 nicht nur für die eigentlichen Notfälle verwendet, sondern auch durch die Anrufenden für jegliche Probleme genutzt wurde: Pannendienst, Kraftstoffdiebstahl auf Rastplätzen, Einbrüche in Lkw usw. In diesen Fällen konnte die Polizei/Autobahnpolizei gezielt auch über den Inhalt der fremdsprachigen Anrufe informiert werden.
Zeitersparnis
Das Übersetzungstool erkennt und übersetzt Notrufe in unterschiedlichsten Sprachen simultan, was wertvolle Minuten in der Notrufabfrage einspart. Vor Nutzung des »TONI« mussten die Mitarbeitenden nach Kollegen suchen, die übersetzen konnten. Dies führte zu wesentlich längeren Notrufgesprächen und somit zu einem erhöhten Stresslevel, da im Notruf jede Sekunde zählt.
Durch Einsatz des Übersetzungstools hat sich die Kommunikation bei Notrufen, die die Leitstelle nicht in deutscher oder englischer Sprache erreicht haben, erheblich verbessert.
Wichtiges und sinnvolles Werkzeug
Die Mitarbeitenden aus dem Dispositionsbetrieb haben ein durchweg positives Feedback gegeben. Die Nutzung des Systems führte dazu, dass Einsatzorte mit fremdsprachigen Anrufern schnell und stressfrei lokalisiert werden konnten. Die Mitarbeitenden haben das Übersetzungstool als das wichtigste Werkzeug seit der Einführung der Handyortung bezeichnet.
Das Übersetzungstool steht rund um die Uhr zur Verfügung und wird bei der Anmeldung des Disponierenden am Einsatzleitplatz gestartet, sodass das Tool ad hoc genutzt werden kann, ohne wertvolle Zeit zu verlieren.
Fazit und Ausblick
Die Implementierung von KI-Echtzeitübersetzung in der Kreisleitstelle Wesel zeigt das enorme Potenzial dieser Technologie für die Verbesserung in der Annahme von fremdsprachigen Notrufen. Eine Fortführung nach der Testphase wurde daher befürwortet, um den Mitarbeitenden weiterhin ein wichtiges und effizientes Werkzeug für die Notfallkommunikation zur Verfügung zu stellen.