Nosokomiale Infektionen im Rettungsdienst? Ein selten beachtetes Problem!

Artikel vom 2. November 2023
Produkte für den Rettungsdienst

Der Begriff der nosokomialen Infektion (NI) wird oft als »Krankenhausinfektion« (miss-)verstanden. So wurde er zunächst auch verwendet, als 1979 Walter Steuer die Richtlinien zur Infektionsprophylaxe beim damaligen Bundesgesundheitsamt initiierte. Inzwischen wird er für alle Infektionen angewendet, die im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme entstehen. Diese sind grundsätzlich auch im Rettungsdienst möglich, bleiben dann aber meistens verborgen, weil die zu behandelnden Personen nicht über längere Zeit beobachtet werden können. Daher werden diese Infektionen in der Regel erst im Krankenhaus apparent, obwohl sie in der Präklinik entstanden sind, und werden dem Krankenhaus angelastet. Die Häufigkeit wird auf 400.000 bis 600.000 Fälle pro Jahr in Deutschland geschätzt; die Zahl der Patienten/innen, die daran oder damit versterben auf 10.000 bis 20.000. Wie viele NI vermeidbar wären, wird kontrovers diskutiert. Seriöse Schätzungen gehen von 80.000 bis 100.000 Fällen aus. Die Zahlen stammen samt und sonders aus Krankenhäusern. In Arztpraxen gibt es selbstredend auch NI, die jedoch, anders als das IfSG es vorsieht, so gut wie nie erfasst oder dokumentiert werden. Eine Meldepflicht gibt es nicht, Krankenhäuser sind zur Erfassung und Dokumentation verpflichtet.

: Not kennt kein Gebot, keine Frage. Aber, wo immer es die Situation zulässt, ist das Risiko der no-sokomialen Infektion zu bedenken (Bild: © T. Engelmann, ASB Nürnberger Land).

Not kennt kein Gebot, keine Frage. Aber, wo immer es die Situation zulässt, ist das Risiko der nosokomialen Infektion zu bedenken (Bild: © T. Engelmann, ASB Nürnberger Land).

Meistens werden Harnwegsinfekte gefunden, die jedoch (bislang) kaum jemals als im Zusammenhang mit rettungsdienstlichen Maßnahmen betrachtet werden, gefolgt von der nosokomialen Pneumonie im Zusammenhang mit Maßnahmen der Beatmung und Bronchialtoilette. Diese sind häufig als im Rettungsdienst ausgelöst denkbar. Zahlen darüber existieren nicht und sind auch nicht erhebbar, weil sie frühestens 48 Stunden nach dem auslösenden Ereignis auftreten und dann nicht mehr rettungsdienstlichen Maßnahmen zugeordnet werden können. Die Kostenschätzungen für nosokomiale Infektionen belaufen sich, je nach Art der Infektion und der Behandlung, auf 4000 bis 20.000.- €/Fall. Dazu kommt der verlängerte Krankenhausaufenthalt mit längerem Leiden, körperlicher und psychischer Beeinträchtigung, somit auch nicht zu beziffernde Nachteile. Aus der KRINKO-Richtlinie lassen sich Vermeidungsstrategien, soweit im Rettungsdienst möglich, ableiten und entwickeln. Im Rettungsdienst können wir keine Zahlen über mögliche nosokomiale Infektionen liefern; das entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung, diese so weit als möglich zu verhindern. Vorteile davon hat zwar nicht der Rettungsdienst, sondern Patienten und Patientinnen, die Kliniken und nicht zuletzt die Kostenträger, also die
Solidargemeinschaft – wir alle. Auch wird es unser Gewissen beruhigen, wenn wir alles Denkbare tun, um sie zu vermeiden.

Harnwegsinfektionen (HWI)

Aus Arztpraxen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen werden in Deutschland pro Jahr 14 Millionen Harnwegskatheter gelegt und dabei über 22 %, also 280.000 Harnwegsinfektionen berichtet. Wie
groß die Dunkelziffer ist, mag Spekulation bleiben. Dabei wird festgestellt, dass Patienten und Patientinnen und Bewohner und Bewohnerinnen mit transurethralem Katheter weitaus häufiger betroffen sind oder die Infektion schneller entwickeln als solche mit suprapubischem Katheter. Weil die Durchführung des Blasenkatheterismus nicht zu den originären Aufgaben des Rettungsdienstes gehört, wird irrtümlich angenommen, dass der Rettungsdienst hier frei von Verantwortung sei. Das ist so nicht richtig. Bei korrekter aseptischer Durchführung des Katheterismus ist die primäre Harnwegsinfektion meist verhinderbar. Korrekter Umgang mit einem liegenden Blasenkatheter hilft, die Entwicklung aufsteigender Harnwegsinfektionen zu verhindern.

Geschlechtsverteilung

Der Rettungsdienst wird, wenn er mit akuten Harnverhaltungen konfrontiert ist, meist von Männern beansprucht. In der Regel handelt es sich um ältere Männer, die unter einer Vergrößerung der Prostata leiden, die die Harnröhre umgibt und bei Vergrößerung komprimiert. Bei Frauen kommen, wesentlich seltener, Verschlüsse durch Blasensteine vor, die den meatus internus urethrae blockieren.

Indikation

Warum sollte der Rettungsdienst Harndrainagen legen? Eine Harnverhaltung stellt schließlich keine vitale Bedrohung dar. Das ist sicher richtig, aber die gespannt gefüllte Blase verursacht ohne Frage unerträgliche Schmerzen. Die nehmen noch zu, wenn jemand mit diesen Beschwerden per KTW/RTW zur Klinik transportiert wird, um dort die Drainage zu legen. Dabei ist sie/er den Erschütterungen und Fahrbewegungen ausgesetzt. Spasmolytika wie Butylscopolamin (zum Beispiel Buscopan) bringen nur ungenügende Linderung. Im Interesse der Anwendung der A(B) EDL nach Juchli und Krohwinkel, die einen menschlich kompetenten Umgang mit Patienten und Patientinnen schaffen wollen, soll der Rettungsdienst solche zusätzliche Schmerzen vermeiden soweit es nur möglich ist. Voraussetzung ist, dass das erforderliche Material im RTW vorhanden ist und das Rettungspersonal die korrekte Durchführung erlernt. Das kann in der Ausbildung der Notfallsanitäter theoretisch oder mittels Übungsphantom (Krankenpflegepuppe) praktisch durch Lehrkräfte für Kranken-/Altenpflege vermittelt und im Intensivpflegepraktikum geübt und vertieft werden.

Material

Die einschlägigen Hersteller von Medizinprodukten bieten die unterschiedlichsten Kathetersets an.

Ein Katheterset, bei dem jedoch noch sterile Handschuhe, das Schleimhautantiseptikum, der Ver-weilkatheter und eine Instillationsspritze mit Gleitmittel fehlen (Bild: © Hartmann PeHa).

Ein Katheterset, bei dem jedoch noch sterile Handschuhe, das Schleimhautantiseptikum, der Verweilkatheter und eine Instillationsspritze mit Gleitmittel fehlen (Bild: © Hartmann PeHa).

Es macht Sinn, ein Set zu verwenden, das alle benötigten Utensilien enthält. Das sind: Schlitz-Lochtuch, Kompressen und pflaumengroße Tupfer, sterile Handschuhe, sterile Pinzette, anästhesierendes Gleitmittel in einer Instillationsspritze, Schleimhautdesinfektionsmittel und eine Spritze mit einer Mischung aus physiologischer Kochsalzlösung (0,9 %) mit Glycerin zur Befüllung des Blockerballons in einer gleichzeitig als Auffangschale dienenden Packung. Die drei Bestandteile Gleitmittel, Schleimhautdesinfektionsmittel und NaCL/Glycerin-Spritze sind nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) apothekenpflichtig. Deswegen sind Sets, die diese enthalten, nur in Apotheken erhältlich.

Die Kathetersets sind zweifach verpackt, wobei die Innenverpackung gleichzeitig als sterile Arbeitsunterlage dient. Als Katheter sind Ballonkatheter zum Verbleib in der Blase, in der Regel mit Nelatonspitze, zu empfehlen. Manche Autoren empfehlen Tiemannkatheter als »Männerkatheter«. Das ist nicht unumstritten, weil die harte und gebogene Spitze bei der leer gehaltenen Blase von innen an der Schleimhaut reibt. Perforationen dadurch bei längerer Liegezeit sind beschrieben. Wegen möglicher Latexallergien und Unverträglichkeiten sollten Silikonkatheter zur Anwendung kommen. Zur Fixation am Bein werden allergenfreie Heftpflaster (Seide, Klebstoff aus Cyanacrylat) verwendet. Die Drainagebeutel sind ebenfalls meist nicht Bestandteil des Kathetersets. Zu empfehlen sind solche mit Ablaufventil, nicht einfache Beutel zum Wechseln. Durch das Vermeiden einer Dekonnektion wird Keimeintrag beim Entleeren verhindert. Am Schlauchansatz sollte ein Rückschlagventil vorhanden sein, das verhindert, dass Urin in die Blase zurücklaufen kann.

Applikation

Wie erwähnt, ist der Katheterismus der Harnblase (bislang noch) selten Sache des Rettungsdienstes und wird deswegen zwar auch gelehrt, aber eben auch selten angewendet. Das Lernfeld 1.4 erwähnt die Bedeutung des Harnblasenkatheters; die Durchführung kann im Lernfeld 3.5 vermittelt werden. Im Lernfeld 3.5 wird allerdings die Anlage der Harnableitung nicht expressis verbis erwähnt, dort steht nur unter spezielle Notfallmedizin »Urologische Notfälle«. Ein Video der Universität Heidelberg (med. Fakultät Mannheim) zeigt die Ausführung bei Frauen und Männern unter besonderem Augenmerk auf eine streng aseptische Durchführung.

Umgang mit liegendem Katheter

Es ist beileibe keine Seltenheit, dass ein Patient bzw. eine Patientin mit liegendem Dauerkatheter vom Rettungsdienst versorgt bzw. transportiert wird. Es fällt aber auf, dass dabei wenig bis gar nicht Wert auf die Prophylaxe von Harnweginfektionen gelegt wird. Auch hier liegen uns keine Zahlen vor, wie häufig solche im Rettungsdienst verursacht werden. Sehr wohl haben wir aber Erfahrungen aus der Kranken- und Altenpflege, die auf die Situation im Rettungsdienst übertragbar sind.

Deswegen hier die einzelnen erforderlichen Maßnahmen:

1. Katheterfixierung

Beim Umlagern, aber auch auf der Transportliege, kann es vorkommen, dass der Ablaufschlauch der Harnableitung unbeabsichtigt an etwas hängen bleibt und der Katheter disloziert oder sogar aus seiner Position ziemlich gewaltsam gezogen wird.

Katheterfixierung mit Halteband. Alternativ ist auch eine Fixierung mittels Heftpflaster möglich (Bild: © Habel Medizintechnik).

Katheterfixierung mit Halteband. Alternativ ist auch eine Fixierung mittels Heftpflaster möglich (Bild: © Habel Medizintechnik).

Besonders bei Männern kann es dadurch zu Schmerzen und Blutung kommen. Gleiches ist möglich, wenn der Katheter und die Ableitung unter dem Bein geführt werden. Auch das geschieht oft unbeabsichtigt beim Umlagern. Beides ist vermeidbar, wenn der Katheter an der Oberseite des Oberschenkels fixiert wird. Dazu gibt es spezielle Haltebänder (siehe Foto); eine Befestigung mit Heftpflaster ist auch möglich, jedoch nicht den Katheter direkt an der Haut ankleben, sondern einen Pflastersteg falten. Das gilt selbstredend für alle Geschlechter.

2. Reposition des Präputiums

Die meisten Männer in Deutschland haben ihr Präputium. Bei gläubigen Juden und Moslems wird es im Neugeborenen- bzw. Kindesalter durch Beschneidung aus religiösen Gründen entfernt. Gleiches wird bei männlichen Individuen aus medizinischen Gründen bei Phimose durchgeführt. Anders als in USA ist eine Beschneidung aus sexualkosmetischen oder hygienischen Gründen in Deutschland selten.

Liegender Dauerkatheter. Es ist wichtig, das Präputium zu reponieren, um eine Einschnürung am Sulcus coronarius und Austrocknung der Eichelschleimhaut zu verhindern (Bild: Habel Medizintechnik).

Liegender Dauerkatheter. Es ist wichtig, das Präputium zu reponieren, um eine Einschnürung am Sulcus coronarius und Austrocknung der Eichelschleimhaut zu verhindern (Bild: Habel Medizintechnik).

Ein liegender Dauerkatheter dehnt die Harnröhre. Ist das Präputium dann nicht nach vorne gezogen, schnürt es im Sulcus coronarius den venösen und lymphatischen Rückfluss ab. Es entsteht eine Paraphimose. Das führt zu einer schmerzhaften Schwellung der Eichel, in schweren Fällen kann es zur Thrombosierung kommen. Daher ist es wichtig, auf Reposition des Präputiums zu achten.

3. Gewährleistung des Urinflusses

Immer wenn Urin im Ableitungsschlauch stagniert oder gar zurückläuft, kommen die wenigen Erreger zurück in die warme Blase und werden dort inkubiert; sie vermehren sich und eine Infektion wird wahrscheinlich. Das wird teilweise technisch dadurch verhindert, dass die Auffangbeutel an der Einmündung des Ablaufschlauches ein Rückschlagventil haben. Zum Entleeren dient das Ventil an der Unterseite.

3.1 Offenhaltung

Daraus ergibt sich folgerichtig, dass der Abfluss ständig gewährt sein muss. Abklemmen ist grundsätzlich schädlich. Früher war ein sogenanntes »Blasentraining« üblich. Der Gedanke dabei war, dass die Blase durch ständiges Leersein schrumpfe. Diese  Vorstellung ist obsolet: die »Schrumpfblase« gibt es nur bei Paraplegie.

3.2 Position des Drainagebeutels

Aus dem gleichen Grund ergibt sich, dass der Auffangbeutel ständig unter dem Niveau der Harnblase hängen muss: Das Rückschlagventil schließt nur unvollständig und im Schlauch verbleibt auch immer Urin, der nicht zurück in die Blase kommen darf.

Der Drainagebeutel muss ständig unterhalb des Blasenniveaus hängen. Der Schlauch darf keine durchhängende Schlaufe bilden, in der sich Urin stauen kann. Und es besteht das Risiko, dass der herabhängende Schlauch an etwas hängen bleibt und der Katheter schmerzhaft aus der Blase gerissen wird (Bild: © Hartmann PeHa).

Der Drainagebeutel muss ständig unterhalb des Blasenniveaus hängen. Der Schlauch darf keine durchhängende Schlaufe bilden, in der sich Urin stauen kann. Und es besteht das Risiko, dass der herabhängende Schlauch an etwas hängen bleibt und der Katheter schmerzhaft aus der Blase gerissen wird (Bild: © Hartmann PeHa).

Der Ablaufschlauch darf auch keine Siphonschlaufe bilden, er muss ständig ablaufen können. Beinbeutel sind für im Sitzen zu behandelnde Personen geeignet, im Liegen sind sie kontrainduziert.

3.3 Fremdkörpergefühl

Bei leichter Somnolenz oder Demenz geben viele Männer das Gefühl einer vollen Blase bei der Unfähigkeit zum Entleeren an. Das liegt daran, dass der liegende Verweilkatheter die Harnröhre von innen dehnt. Der Hinweis auf den Katheter wird meist nicht hingenommen oder nicht rational verarbeitet. Dadurch kommt es zu Unruhe oder sogar dazu, dass der Patient bzw. die Patientin den Katheter herausreißt – mit allen Komplikationen. Der Satz »Lassen sie es einfach laufen« wird meist eher verstanden und kann zur Toleranz des Fremdkörpers führen.

Der Organismus ist nicht hilflos

Hätte der Mensch nicht eine Fülle von Körperfunktionen und Schutzmechanismen gegen Infektionen, wäre er bereits vor Millionen von Jahren ausgestorben. Gerade das Harn- und das Atemsystem mit seinen Schleimhäuten bietet geradezu offene Tore für Infektionen. Dagegen wehrt sich der Körper nicht nur über sein Immunsystem, sondern auch mit der mechanischen Funktion der Durchspülung. Eine Beschreibung der Nosokomialen Atemwegsinfektion und der Vermeidung findet sich in »Rettungsdienst«, Zeitschrift für präklinische Notfallmedizin des SK-Verlags, 45. Jahrgang, Heft 11, November 2022.

Schutzausrüstung der Durchführenden – Atemschutz vs. MNSi

Beim offenen Absaugen, ob nun intubierter oder nicht intubierter Patienten und Patientinnen, entstehen Aerosole bzw. bei nicht tief Bewusstlosen Expectorate. Gegen diese schützen Atemschutzmasken. Der Rettungsdienstausschuss Bayern schreibt in seinem Rahmenhygieneplan vor, im Rettungsdienst grundsätzlich die Filterklasse FFP2 zu verwenden. Der Grund dafür ist, dass diese Maske ringsum dicht anmodelliert werden kann. Die früher oft verwendete OP-Maske (MNS, Mund-Nasen- Schutz) bietet diese Möglichkeit nicht, stellt also keinen ausreichenden Schutz dar.

(Bild: Dennis Rochel auf Unsplash).

(Bild: Dennis Rochel auf Unsplash).

Sie wurde dafür entwickelt, im OP das Operationsfeld vor der Expectoration der Operierenden zu schützen. Die Ausatemluft wird da gerade nach vorn ausgestoßen, also in diesem Fall gefiltert; die Einatemluft aber ungerichtet angesaugt, also auch ohne das Filtermedium zu passieren. FFP3-Masken haben Ausatemventile; sie schützen damit die Träger, aber nicht andere vor dessen Expectoration. Das hatte in Pandemiezeiten Bedeutung. Die Abdichtung und das Filtermedium begründen einen erhöhten Atemwiderstand. Das führt zu größerer Atemanstrengung, damit zu einer gewissen Blähung der Lunge wie bei einer CPAP-Beatmung und vergrößertem funktionalen Totraum. Die Berufsgenossenschaften schreiben daher nach einer Tragezeit von > 75 bis 120 Minuten, je nach Schwere der Arbeit, eine Tragepause von ca. 30 Minuten vor. Wie weit das im Rettungsdienst zu realisieren ist, muss der Situation vorbehalten sein. Der Mund-Nasen-Schutz (MNS) findet seine Indikation bei spontanatmenden Patienten und Patientinnen mit einer durch Aerosol übertragbaren Krankheit (Lungentuberkulose, Meningokokken-Meningitis, Noroviren-Enteritis).

Schutzbrille/face shield

Jede Tätigkeit, die Aerosole oder Spritzer provoziert, ist geeignet, eine Kontamination der Augen herbeizuführen. Besonders die Bindehäute sind genauso infektionsempfänglich  wie Schleimhaut.

Zum Schutz der Augen vor Aerosolen wird eine rundum geschlossene Schutzbrille getragen. Eine zusätzliche FFP2-Maske ist sinnvoll (Bild: © ASB-Schulen).

Zum Schutz der Augen vor Aerosolen wird eine rundum geschlossene Schutzbrille getragen. Eine zusätzliche FFP2-Maske ist sinnvoll (Bild: © ASB-Schulen).

Deswegen ist dabei immer eine Schutzbrille zu empfehlen, die rundum abdichtet. Normale Brillen sind oben und seitlich offen und reichen deswegen nicht aus. Inzwischen sind auch solche Schutzbrillen im Handel, die über der Alltagsbrille getragen werden können. Der Gesichtsschutz (face shield) schließt an der Unterseite nicht dicht ab, er kann somit nur in Verbindung mit einem Atemschutz FFP2, keinesfalls allein, ausreichend schützen.

Händehygiene/Handschuhe/Händedesinfektion stellen auf jeden Fall die entscheidenden Faktoren der Prophylaxe dar.

Händehygiene besteht aus Verzicht auf Uhren/Armbänder/Ringe. Piercings sind nur an Händen und Unterarmen zu untersagen. Nagellack und die Länge oder Form der Nägel unterliegen lt. TRBA 250 einer gesonderten Risikobeurteilung. In der Regel wird das so interpretiert, dass bei Tätigkeiten, die eine chirurgische Händedesinfektion erfordern, darauf bestanden wird, bei anderen nicht. Der o. g. bayerische Rahmenhygieneplan für den Rettungsdienst sieht das allerdings immer zwingend vor.

Die Verwendung von Schutzhandschuhen ist angesagt, wo erforderlich. Das betrifft in Hinsicht auf die Beatmungshygiene den Kontakt mit Sekret und Atemaerosol, also vorwiegend bei In- und Extubation sowie dem Absaugen von Sputum. Die Schutzhandschuhe sind – weil nicht steril – ein Schutz für den Handschuhträger, nicht für Patienten und Patientinnen. Eine Bezeichnung als »keimarm« ist weder quantifizierbar noch richtig zutreffend. Weil Handschuhe in offenen Boxen auf der Arbeitsfläche oder in Wandhalterungen lagern, sedimentieren Keime darauf. Und wenn in die Boxen hineingegriffen
wird, werden sie laufend kontaminiert. Wo es um Kontakte mit sterilen und/oder auch »reinen« Genständen und Hautarealen geht, sind frisch desinfizierte Hände dem Handschuh hygienisch überlegen. Werden Handschuhe getragen, wo sie nicht erforderlich sind, leidet die Haut durch Mazeration und Pilzwachstum. Also: Handschuhe nur bei Bedarf oder häufiger Wechsel, im Idealfall immer nach 15 Minuten. Zum An- und Ausziehen gehört jeweils eine hygienische Händedesinfektion, denn wie die AQL-Zahl auf der Verpackung angibt, sind im Durchschnitt ca. 1,5 % der Handschuhe schon von der Fabrikation her perforiert.

Für die Händedesinfektion gilt:

• Anwendung nach der EN 1500.
• Händedesinfektionsmittel verwenden.

Voll viruzide Mittel sind nur in ganz wenigen Ausnahmefällen erforderlich, aber deutlich aggressiver auf der Haut. Deswegen sollten diese ausschließlich zum Beispiel bei der Auslandsrückholung oder im Flughafenrettungsdienst verwendet werden.

Weitere Informationen finden sich auf der Seite der RKI.

Für die Auswahl, in welchen Situationen eine Händedesinfektion erforderlich wird, empfehlen wir erläuternd zur ASH-Richtlinie:
• Vor dem Vorbereiten von Medikamenten, Injektionen/Infusionen und Medizinprodukten. Bei solchen sowie vielen anderen Tätigkeiten (zum Beispiel Blutdruckmessen), bei denen keine Kontamination zu erwarten ist, ist der Handschuh überflüssig, die frisch desinfizierte Hand ist hier hygienisch überlegen. Auf jeden Fall sollte der Handschuh gewechselt werden, wenn vorher eine Kontamination möglich war.
• Bevor die Rettungsdienstbesatzung zum Patienten bzw. zur Patientin
geht und vor dem Anziehen der Schutzhandschuhe.
• Nach der Versorgung des Patienten bzw. der Patientin vor dem Einladen. Das reduziert den Bedarf an desinfizierender Reinigung von berührten Kontaktstellen bei der Fahrzeugaufbereitung.
• Nach Kontakt mit Blut, Sekreten und Ausscheidungen bzw. potentiell kontaminierten Abfällen oder Verbänden.
• Nach dem Ausziehen der Schutzhandschuhe.
Aus Gründen des Hautschutzes sollte kein Handschuh länger als 10 bis 15 Minuten getragen werden, ansonsten kommt es zur Mazeration der Haut und zum Wachstum der Hautkeime, zum Beispiel Pilzen.

Handschuhe anziehen macht in der Regel keine Probleme. Das Ausziehen jedoch muss so erfolgen, dass die ungeschützte Hand nicht mit der Außenseite des kontaminierten Handschuhs in Berührung kommt (s. Abb. 8). Eine Videosequenz hierzu bietet der ASB Österreich an.

Handschuhdesinfektion? Auf gar keinen Fall!

Häufig kommt die Frage, ob die Schutzhandschuhe
länger getragen und dabei mittels Händedesinfektionsmittel desinfiziert werden können/dürfen. Dem stehen mehrere Argumente entgegen: Die Handschuhe sind als Einmalartikel deklariert. Damit dürfen sie lt. MPBetreibV nur mit den gleichen Methoden aufbereitet werden, wie das bei der Herstellung erfolgt ist. Das ist in der Rettungswache nicht möglich. Die Handschuhe länger als 15 Minuten zu tragen, ist schädlich für die Haut, weil Transpiration nicht verdunstet und es dann zur Mazeration kommt. Die Handschuhe sind gegenüber chemischen Einflüssen unterschiedlich stabil, je nach der Qualität und der Materialstärke. Auskunft darüber geben die Tabellen der Permeabilitätszeiten der Hersteller für jedes Handschuhmodell.

Kosten- und Benefit- Gegenüberstellung

Das ist eine schwierige Frage – jedenfalls für den Rettungsdienst. Selbstverständlich generieren die hier vorgeschlagenen Methoden
Kosten; der Nutzen kommt nicht dem Rettungsdienst zugute. Eine nosokomiale Infektion bedeutet aber einen verzögerten Heilungsprozess mit verlängertem Klinikaufenthalt, damit auch erhebliche Mehrkosten und für die Patienten und Patientinnen vermehrtes Leid (siehe oben), für die Klinik gesteigerten Aufwand. Letzteres ist beim gegenwärtigen Personalnotstand nicht nebensächlich. Für die Kostenträger würde die konsequente Vermeidung nosokomialer Infektionen durchaus einen Vorteil bedeuten. Das sollte bei den künftigen Kostenverhandlungen berücksichtigt werden.

Fazit

Nosokomiale Infektionen haben im Bewusstsein des Rettungsdienstes (noch) nicht Beachtung gefunden. Tatsächlich gibt es sie, wir haben nur keine Zahlen darüber. Deswegen wird es schwierig, darüber zu diskutieren. Im Interesse der Patienten und Patientinnen und deren Outcoming verdienen sie Beachtung. Bei der speziellen Aufgabe des Rettungsdienstes sind Wundinfektionen nicht zu vermeiden. Über Phlebitiden wird noch zu reden sein. Harnwegsinfekte und Pneumonien sind nicht zu 100 % vermeidbar, durch relativ einfache Maßnahmen können sie aber deutlich reduziert werden. Das lohnt sich.

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