E-Ambulanz im Praxiseinsatz

Artikel vom 23. Juni 2022
Fahrzeugausstattung und -ausrüstung

Vor bereits vier Jahren präsentierte der Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeughersteller (WAS) die erste Null-Emission-Ambulanz in der 5,5-Tonnen-Klasse. Zeit für eine erste Zwischenbilanz zum E-RTW im Gespräch mit dem Projektverantwortlichen Christoph Stegemann.

Der Prototyp E-RTW wird während seiner Praxistour durch Deutschland und Europa von den Rettungsorganisationen auf Herz und Nieren geprüft.

Der Prototyp E-RTW wird während seiner Praxistour durch Deutschland und Europa von den Rettungsorganisationen auf Herz und Nieren geprüft.

Herr Stegemann, mit welchem Ziel werden Sie zum Thema E-Ambulanz von Rettungsorganisationen kontaktiert?

Nun, es melden sich ja nicht nur Rettungsorganisationen. Wir haben auch etliche staatliche oder kommunale Behörden, die sich an uns wenden. Sie folgen dem politischen Auftrag, Maßnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen aufzuzeigen. Da liegt es nahe, auch Möglichkeiten im Bereich der Einsatzfahrzeuge zu prüfen. In der 5,5-Tonnen-Klasse gibt es derzeit nur ein Modell – und das ist von WAS.

Wie lange wird getestet und mit welchen Ergebnissen?

In der Regel sind es mehrere Wochen. Dafür stellen wir nicht nur das Fahrzeug, sondern zu Beginn auch WAS-Mitarbeiter zur Einweisung zur Verfügung, um anfängliche Bedienungsfehler zu vermeiden. Jeder Fahrer wird also geschult. Die erste Technologieskepsis ist bei vielen Bedienern oft sehr schnell verschwunden, im Gegenteil, es ist sogar Begeisterung zu spüren. Den Anwendern fällt die leise Fahrweise auf. Als nächstes erwähnen sie die gute Straßenlage.

Der Einbau der Batterien auf Fahrgestellhöhe sorgt für eine sehr gute Straßenlage Bild: WAS).

Der Einbau der Batterien auf Fahrgestellhöhe sorgt für eine sehr gute Straßenlage Bild: WAS).

Die ist bedingt durch den tiefen Schwerpunkt, den wir durch den Verbau der Akkus auf Höhe des Fahrgestells erreichen. Ebenso berichten Tester von der dynamischen Fahrweise mit sehr guter Beschleunigung.

Was erhoffen Sie sich als Hersteller von den Tests?

Der E-RTW war ja von unserer Seite aus erstmal ein Vorschlag an den Markt. Es galt für uns, die Akzeptanz oder auch die Skepsis der Anwender zu erfahren, Stärken und Schwächen genannt zu bekommen. Die Erkenntnisse aus den Tests flossen und fließen in unsere Entwicklung zum Serienfahrzeug ein.

Welche skeptischen Ansätze wurden denn am häufigsten genannt?

Im Wesentlichen gibt es da drei Punkte, über die diskutiert wird. Der erste Punkt ist das angeblich erhöhte Brandrisiko der Akkus. Diese Bedenken entkräften wir schnell, indem wir erklären, dass wir mit LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat-Batterien) eine brandhemmende Technologie einsetzen. Der zweite Punkt sind Bedenken wegen des Einsatzes seltener Metalle, namentlich Nickel und Kobalt, die umweltschädlich abgebaut werden. Unsere Antwort darauf: WAS-Batterien enthalten diese Metalle nicht. Der nächste Punkt ist die Reichweite von 150 bis 200 km. Hier sind die Antworten etwas komplexer, denn hier spielen das Nutzungsmanagement und die Ladeinfrastruktur eine wesentliche Rolle. Die E-Mobilität erfordert in vielerlei Hinsicht ein Umdenken.

Gibt es auch die Befürchtung, dass bei längeren Standzeiten am Einsatzort durch Entladen der Batterien die Patientenversorgung gefährdet sein könnte?

Ja, da jedoch zwei Energiekreise verbaut sind, die unabhängig voneinander betrieben werden, besteht diese Abhängigkeit nicht. Die Batteriereserven für die komplette Medizintechnik sind für mehrere Stunden ausreichend und werden im Normalbetrieb durch den großen Fahrzeugakku geladen. Selbst bei sehr hohem Energiebedarf am Einsatzort besteht kein Risiko für die Patientenversorgung. Darüber hinaus würde im Ernstfall ein Batteriemanagementsystem die Priorisierung bzw. Abschaltung der einzelnen Verbraucher wie Klimaanlage/Heizung, Blaulicht, Medizintechnik etc. regeln.

Kommen wir nochmal auf das Thema Reichweite zu sprechen.

Grundsätzlich haben alle Tests gezeigt: E-Mobilität im Rettungsfahrzeug ist im städtischen und stadtnahen Betrieb 24/7 realistisch ohne Abstriche machbar. Allerdings, und jetzt kommen wir zur Infrastruktur, ist die Voraussetzung dafür, dass sowohl Rettungswachen als auch Notaufnahmen mit Ladesäulen ausgestattet sind. In den Wartezeiten bis 30 Minuten können so 30 bis 40 km Reichweite »zugeladen« werden. Seien wir mal realistisch: Die meisten Einsätze sind in der Regel kürzer. Von einigen Kunden wurde aber auch der Interhospitalverkehr als guter Nutzungseinsatz definiert. Der E-RTW kann somit in den Städten und in stadtnahen Randgebieten dieselbetriebene Fahrzeuge ersetzen.

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